(XX) Dir aber...

Dir aber, Herr, o was weih ich dir, sag,
der das Ohr den Geschöpfen gelehrt ? -
Mein Erinnern an einen Frühlingstag,
seinen Abend, in Rußland -, ein Pferd ...

Herüber vom Dorf kam der Schimmel allein,
an der vorderen Fessel den Pflock,
um die Nacht auf den Wiesen allein zu sein ;
wie schlug seiner Mähne Gelock

an den Hals im Takte des Übermuts,
bei dem grob gehemmten Galopp.
Wie sprangen die Quellen des Rossebluts !

Der fühlte die Weiten, und ob !
Der sang und der hörte -, dein Sagenkreis
war in ihm geschlossen. Sein Bild : ich weih´s.

Rainer Maria Rilke  (1875-1926)

Aus: Die Sonette an Orpheus / Erster Teil



www.sternenfall.de · 30.7.2006 · info@sternenfall.de
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