(II) So wie dem Meister manchmal das eilig...
So wie dem Meister manchmal das eilig
nähere Blatt den wirklichen Strich
abnimmt : so nehmen oft Spiegel das heilig
einzige Lächeln der Mädchen in sich,
wenn sie den Morgen erproben, allein, -
oder im Glanze der dienenden Lichter.
Und in das Atmen der echten Gesichter,
später, fällt nur ein Widerschein.
Was haben Augen einst ins umrußte
lange Verglühn der Kamine geschaut :
Blicke des Lebens, für immer verlorne.
Ach, der Erde, wer kennt die Verluste ?
Nur, wer mit dennoch preisendem Laut
sänge das Herz, das ins Ganze geborne.
Rainer Maria Rilke
(1875-1926)
Aus: Die Sonette an Orpheus / Zweiter Teil
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