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 (XVII) Wo, in welchen immer selig bewässerten Gärten... 
Wo, in welchen immer selig bewässerten Gärten, an welchen 
Bäumen, aus welchen zärtlich entblätterten Blüten-Kelchen 
reifen die fremdartigen Früchte der Tröstung ? Diese 
köstlichen, deren du eine vielleicht in der zertretenen Wiese 
deiner Armut findest. Von einem zum anderen Male 
wunderst du dich über die Größe der Frucht, 
über ihr Heilsein, über die Sanftheit der Schale, 
und daß sie der Leichtsinn des Vogels dir nicht vorwegnahm und nicht die Eifersucht 
unten des Wurms. Giebt es denn Bäume, von Engeln beflogen, 
und von verborgenen langsamen Gärtnern so seltsam gezogen, 
daß sie uns tragen, ohne uns zu gehören ? 
Haben wir niemals vermocht, wir Schatten und Schemen, 
durch unser voreilig reifes und wieder welkes Benehmen 
jener gelassenen Sommer Gleichmut zu stören ? 
Rainer Maria Rilke 
(1875-1926) 
Aus: Die Sonette an Orpheus / Zweiter Teil
 
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