Eranna an Sappho

O du wilde weite Werferin:
Wie ein Speer bei andern Dingen
lag ich bei den Meinen. Dein Erklingen
warf mich weit. Ich weiß nicht, wo ich bin.
Mich kann keiner wiederbringen.

Meine Schwestern denken mich und weben,
und das Haus ist voll vertrauter Schritte.
Ich allein bin fern und fortgegeben,
und ich zittere wie eine Bitte;
denn die schöne Göttin in der Mitte
ihrer Mythen glüht und lebt mein Leben.

Geschrieben Winter 1906 in Meudon

Rainer Maria Rilke  (1875-1926)

Aus: Neue Gedichte



www.sternenfall.de · 30.7.2006 · info@sternenfall.de
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