Das Mädchen spricht
I.
Es spürt mich Einer in allem Rosenduft,
Ahne ich manchmal. Und er sucht mich auch
In Fliederblüten und den blauen Glocken.
Aber ich weiß mich selber nicht.
Ich will ihm gerne beide Hände reichen;
Nur meine Glieder sind so unbeschwert,
Daß ich mir immer wie ein Wind entgleite.
Ich glaube, daß ich noch nicht geboren bin.
II.
Einmal aber werde ich sein.
Ganz plötzlich. Wie von einem Stern
Der helle Stein zur Erde fällt,
Wird tief mein Name in ihn fallen.
Der vordem ging durch alle Gärten schwer
Und träumte mich, gab mir Gesicht
Und Leib und Lächeln, als er gläubig rief:
Ich fand mich atmen.
Und erstaunte tief.
III.
Aber es hängt vor allem Frühling
Ein sanfter Schleier wie Herbst.
Oder wurden meine Augen grau?
Nie blendet mich der Tag.
Ward ich der blassen Erde zart vertraut,
Oh unsrer Liebe nahe Bitternis!
Einmal werd ich der tiefste Schatten sein,
Der sie befiel.
Schwester,
Immer sind die dunkeln Abenteuer
Zwischen uns, wir können oft
Keines der vielen blauen Worte finden,
Die uns geschenkt sind.
Dann, wenn ich die schmalen Krystalle
Meines weißen Traumes Dir bringe,
Häufst Du rötliche Scheiter
Und glühst ein Feuer.
Oder ich möchte mit Abendwind
Deine schmerzliche Lippe kühlen
Und er kommt schwül von den Gärten
Meiner Sehnsucht.
Schwester, immer sind die dunkeln Abenteuer
Zwischen uns, wir können kaum
Unter Schatten erkennen, wie sehr
Wir uns lieben.
Maria Luise Weissmann
(1899-1929)
|